Gesundheitsbelastungen im Lehrerberuf
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Vorzeitige Pensionierungen auf Grund von Dienstunfähigkeit, sind bei Lehrerinnen und Lehrern überdurchschnittlich häufig anzutreffen.
Nach Aussagen von Dr. Gerhard Jeschull von der GEW Brandenburg, liegt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit eines Lehrers über den geforderten 38,3 Stunden des Öffentlichen Dienstes und sogar über 40 Wochenarbeitsstunden. Diese massive Arbeitszeitbelastung setzt sich zusammen aus der Unterrichtsverpflichtung aber auch aus den zahlreichen zusätzlichen Arbeitsaufgaben, die den Lehrerinnen und Lehrern zugemutet werden. Die zahlreichen Belastungen, die dadurch auf das Lehrpersonal einströmen sind weder zu leugnen noch zu ignorieren. Darüber hinaus ergeben erste Studien zur Gesundheitsbelastung bei Lehrern, dass beispielsweise in Brandenburg, 72% der Lehrkräfte gesundheitlich gefährdet sind ( Schaarschmidt 1995/96). Trotz dieser arlamierenden Angaben, streben einige Bundesländer die Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung an. Doch damit nicht genug. Ungeachtet der hohen Frühpensionierungszahlen, wird in kaum einem Bundesland über eine mögliche Entlastung bzw. Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung bei Lehrerinnen und Lehrern ab dem 50 Lebensjahr nachgedacht (Jeschull 2001).
Die Belastungen des Lehrerberufes wurden seit jeher als besonders hoch eingestuft. Dennoch wurden in der Vergangenheit kaum Untersuchungen durchgeführt, die diesen Belastungen nachgingen und sie erforschten. Diese besondere Thematik rückt jedoch zunehmend in den Focus der medizinisch wissenschaftlichen Betrachtung.
Ein besonders hervorzuhebender Grund für die Ernsthaftigkeit dieses Themas sind die hohen Lehrer-Patientenzahlen der Psychotherapeuten, doch auch darüber gibt es bislang kaum statistisch einwandfreie bzw. repräsentative Aussagen. Entsprechend detaillierte Untersuchungen wurden erst, dank einiger weniger Wissenschaftler, innerhalb der letzten Jahre angefertigt.
Forschungen die bisher durchgeführt wurden haben ergeben, dass die vorherrschenden Belastungen in unterschiedliche Kategorien zu unterteilen sind. So wird beispielsweise zwischen Einflussfaktoren unterschieden, die sich auf kollegialer Ebene, auf der persönlichen Ebene aber auch auf der professionellen Ebene abspielen. Bei fast allen bundesweiten Untersuchungen wurde darüber hinaus zwischen Grundschullehrern, Hauptschullehrer sowie zwischen Gymnasiallehrern unterschieden. Kriterien die beinahe fachübergreifend als belastend erachtet werden lassen sich durch (Arold 2001)
- die hohe Stundenzahl,
- die zusätzlichen bürokratischen Aktivitäten,
- die Klassenstärke und durch
- den Umgang mit schwierigen Schülern aber auch durch
- die fehlende Unterstützung durch das Kollegium und die Schulleitung definieren.
Aus medizinischer Sicht wird bereits zwischen mehreren Krankheitsbildern, die durch zu hohe Belastungen des Lehrerberufes hervorgerufen werden, unterschieden. So wird beispielsweise von Innerer Kündigung als eigenständiger Diagnose gesprochen ebenso wie vom Burnout-Syndrom oder der Dienstunfähigkeit, wobei zusätzlich zwischen rechtlichen und medizinischen Aspekten unterschieden werden muss (Jehle 2001). Alle Befunde, so unterschiedlich sie auch sein mögen, haben selbstverständlich eine Vorgeschichte.
Wodurch wird die Unzufriedenheit hervorgerufen? Warum verliert ein Lehrer die Kraft, für seinen einstigen Traumberuf? Wann wird Gleichgültigkeit und Resignation entwickelt und manifestiert?
Diese und weitere Fragen können bislang noch nicht einstimmig beantwortet werden. Erste Forschungen gehen jedoch davon aus, dass gerade der Lehrerberuf ernstzunehmende psychologische Grundeinstellungen, sprich Erwartungen und Anforderungen an die persönliche Zukunft aufleben lässt. Als besondere Risikofaktoren, die sich auf dieser Grundlage ergeben, gelten nach Aussagen von Schmitz und Hillert, unrealistische Erwartungen und Ansprüche sowie unklare Zielvorstellungen. Häufig werden mit dem Lehrerberuf Weltanschauungen verknüpft, die phantastisch klingen jedoch leider nur sehr selten realisierbar sind. Bei Nichterfüllung dieser Erwartungen und damit einher gehenden Misserfolgen können diese "Träume" innerhalb weniger Jahre in Resignation und grenzenloser Enttäuschung münden (Hillert 2001).
In einem Punkt sind sich die Wissenschaftler einig. Für die Vermeidung und Reduzierung der Gesundheitsbelastungen des Lehrers wird es keine "Wunderpille" geben. Auch werden geeignete Präventionsmaßnahmen vermutlich noch einige Zeit auf sich warten lassen, zumal für die Vermeidung und Vorbeugung der belastenden und krankmachenden Faktoren ein verbessertes Zusammenspiel zahlreicher Faktoren notwendig und unabdingbar ist. Für dieses Zusammenspiel müssen die Lehrerinnen und Lehrer gemeinsam mit ihren Kollegen und Schulleitern bereit sein. Nicht nur der Umgang mit schwierigen Schülern und die ständig wachsenden Anforderungen des Lehrplanes tragen zur Belastungsbeeinflussung bei, sondern eben auch das berufliche Umfeld, das Kollegium der Lehrer selbst. Hinsichtlich der diesbezüglichen katastrophalen Entwicklung forderten verschiedene Verbände, darunter auch der VBE, die Schaffung eines Institutes für Lehrergesundheit sowie die Einrichtung eines arbeitsmedizinischen Dienstes für Lehrkräfte und Erzieher.
Die Ursachen für die frühzeitige Pensionierung auf Grund von Dienstunfähigkeit ähneln sich in erschreckender Weise. Gelegentlich werden Stimmen laut, die diese "Verschleißerscheinungen" als, für den Lehrerberuf, selbstverständlich bezeichnen. Möglicherweise sollte diesen Nörglern vor Augen gehalten werden, dass Belastungen, die sich flächendeckend, sprich bundesweit ähneln und sich sowohl physisch und psychisch auf das Lehrpersonal auswirken, auch aus einem anderen Blickwinkel betrachtet werden dürfen. Ein anderer Blickwinkel würde verdeutlichen, dass die Lehrerinnen und Lehrer zu einer der gesundheitsgefährdeten Berufsgruppe gehören.
Immer wieder werden die beruflichen Belastungen durch
- die hohe Stundenanzahl und zusätzlichen Aufgaben zur Unterrichtsgestaltung,
- die fehlende Unterstützung durch die Schulleitung
- die Enttäuschung hinsichtlich der individuellen Zielsetzungen und Erwartungen und durch den Umgang mit schwierigen Schülern betitelt.
Wie bereits angesprochen stecken die Forschungen zu dieser speziellen Problematik noch in den Kinderschuhen. Erste ganzheitliche Lösungsansätze werden ebenfalls erst in den kommenden Jahren angeboten werden. Aber was, und irgendetwas muss es doch geben, was können die betroffenen Lehrer bereits heute tun? Oder noch besser. Was kann jeder Lehrer tun, um einer möglichen Dienstunfähigkeit vorzubeugen? Welche Symptome und erste Warnzeichen gilt es zu beachten?
Ausführungen zu diesem Thema sind sehr komplex und lassen sich an dieser Stelle noch nicht konkretisieren. Eines bleibt dennoch zu sagen: es ist immer das Zusammenspiel mehrerer Einflussfaktoren, die bekämpft werden müssen und es sind stets mehrere Aspekte die durch den Betroffenen selbst erkannt, verändert und bearbeitet werden müssen. Stressbedingte Symptome erkennen und vermeiden ist nicht die Aufgabe der Anderen. Es ist immer die Aufgabe des Betroffenen selbst, in Zusammenarbeit mit den Anderen.
Die Begeisterung für den Lehrerberuf ist nach Aussagen von Schmitz und Hillert deutlich von den eben genannten negativen Einflussfaktoren abzugrenzen (Hillert 2001).
Begeisterung ist nach wie vor eine der günstigsten Voraussetzungen, um in diesem Beruf die Erfüllung zu finden.
Literatur:
Arold, H., Schaarschmidt, U. (2001) Beanspruchungsmuster bei Lehrerinnen und Lehrern, in: Symposium: Lehrerbelastung - Lehrergesundheit beim Dt. Psychologentag und 21. Kongress für angewandte Psychologie
Hillert, A., Pecho, L., Lehr, D. (2001) Psychsomatisch erkrankte LehrerInnen in stationärer psychotherapeutisch-medizinischer Behandlung, in: Symposium: Lehrerbelastung - Lehrergesundheit beim Dt. Psychologentag und 21. Kongress für angewandte Psychologie
Jehle, P., Gayler, B., Seidel, G. (2001) Zur Entstehung und Prävention der Dienstunfähigkeit bei Lehrpersonen, in: Symposium: Lehrerbelastung - Lehrergesundheit beim Dt. Psychologentag und 21. Kongress für angewandte Psychologie
Jeschull, G. (2001) Lehreranspruch - Probleme und Regelungsansätze, in: Gewerkschaftliche Bildungspolitik Ausgabe 9/10 2001, S. 32/33
Schaarschmidt, U. u.a. (1996), Die psychische Gesundheit von Lehrerinnen und Lehrern in Brandenburg, Kurzfassung von Ergebnissen einer Psychologischen Untersuchung aus den Jahren 1995/96