Selbstuntersuchung
Ziel:
Die Selbstuntersuchung ist eine Methode, mit der man sehr detailliert die wahrgenommenen Probleme und Schwierigkeiten, aber auch Stärken und Möglichkeiten einer Gruppe erheben kann. Sie ist allerdings (vor allem für das durchführende Team) eine sehr aufwändige Methode. Sie wird in der Vorlaufphase eines Veränderungsprozesses durchgeführt, um einen Überblick über die Problemsituation zu schaffen. Hierzu wird ein erster offener Fragebogen vorbereitet, den (möglichst) alle Kolleginnen und Kollegen (anonym) bearbeiten. Die Selbstuntersuchung ist beschrieben bei E. Phillip, Gute Schule verwirklichen. Weinheim:Beltz, 1992). Die hier als Beispiele genannten Antworten stammen aus Selbstuntersuchungen, die wir in Schulen durchgeführt haben.
Durchführung:
Schritt 1
In einem ersten Schritt werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aufgefordert, ihre Probleme in Bezug auf das "Thema" des anstehenden Veränderungsprozesses zu nennen. In großen Kollegien ist es sinnvoll, die Zahl der Nennungen auf maximal drei zu begrenzen.
(Um nicht von Anfang an nur mit einem "Berg von Problemen" zu tun zu haben, lassen wir eine zweite Liste mit den positiven Aspekten von Schule erstellen, die im Folgenden analog behandelt wird).
Beispiel für die Formulierungen zu Schritt 1:
Wenn Sie sich an das vergangene halbe Jahr zurückerinnern, welches sind die für Sie zentralen Probleme und Schwierigkeiten gewesen, die Sie in Ihrem Unterricht (oder: mit den Schülerinnen und Schülern, in dieser Schule) hatten und an denen Sie im Rahmen des geplanten Veränderungsprozesses arbeiten möchten. Schreiben Sie bitte alle Probleme auf und kennzeichnen Sie die drei wichtigsten mit einem Kreuz (X).
Ihre Antworten werden von uns (Vorbereitungsgruppe) zu einer Liste zusammengetragen und Ihnen in einer Woche wieder vorgelegt.
Geben Sie Ihre Liste bitte bis zum ... bei ... ab.
Vielen Dank!
Schritt 2
Das Vorbereitungsteam stellt diese individuellen Problemnennungen zu einer gemeinsamen Liste zusammen und gibt sie an das Kollegium zur individuellen Gewichtung zurück.
Schritt 3
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wählen individuell (und anonym) aus der vollständigen Problemliste drei (fünf, sieben) Aspekte aus und bringen sie in eine Rangfolge. Außerdem beschreiben sie für den wichtigsten Aspekt konkreter den IST- Zustand, den SOLL- Zustand und einen möglichen WEG.
Beispiel für die Formulierungen zu Schritt 3:
Aufgabenstellung: Im folgenden finden Sie eine Liste mit vielen unterschiedlichen Problemaspekten, die von ... der ... Kolleginnen und Kollegen genannt worden sind. Diese Liste liegt Ihnen nun ohne eine bestimmte Gruppierung vor.
Ihre Aufgabe besteht nun in den folgenden Schritten:
- Bezeichnen Sie die drei Aspekte, die Ihnen in der gegenwärtigen Situation besonders am Herzen liegen, weil Sie sie als problematisch empfinden und weil hier etwas zur Verbesserung unternommen werden sollte.
- Reihen Sie die von Ihnen bezeichneten drei Aspekte nach ihrer subjektiven Wichtigkeit (1., 2. und 3.).
- Geben Sie für den wichtigsten Aspekt an,was Sie an ihm als problematisch sehen (Beispiele, Symptome, vermutete Ursachen),
- was Ihnen selbst als Lösung erscheint (wie soll es sein,
- warum soll es so sein, in welche Richtung soll es gehen?
- auf welchem Weg die Lösung verwirklicht werden könnte.
Ihre Antworten werden von uns (Vorbereitungsgruppe) ausgewertet und Ihnen in einem ausführlichen Bericht vorgelegt. Wir werden in unserer ersten Sitzung ausführlich über die Ergebnisse, ihre Bedeutung für die Schule und ihre Konsequenzen für die gemeinsame weitere Arbeit sprechen.
Geben Sie bitte Ihre Antworten bis zum ... bei ... ab.
Vielen Dank!
Liste der Problemaspekte
Die folgenden Aspekte wurden von Ihnen als problematisch und veränderungswürdig erlebt. Überprüfen Sie sie bitte und kennzeichnen Sie die drei Aspekte, die für Sie besonders wichtig sind.
- Abgelenkte, unkonzentrierte Schüler*
- Abnehmende Fähigkeiten (Konzentration, Selbstbeherrschung, "Biss", Probleme zu lösen, Durchhaltevermögen, Gedächtnis, Ordnung...) bei den Schülern.
- Bauliche Mängel
- Bei Disziplinierungsmaßnahmen (Meldungen, Verspätungen, Klassenkonferenzen) behindert Uneinigkeit und Laxheit die Effektivität der getroffenen Maßnahmen
- Belastung durch erzieherische Aufgaben, aber keine Hilfestellung
- Da alle Kollegen nahezu gleich alt sind, haben auch entsprechend viele einen Anspruch auf Beförderungsstellen: ich wünsche mir eine interne Regelung der Vergabe ohne aussichtslose Rangeleien
- Das ausgeprägte Bedürfnis des Schulleiters, sich von Lehrern hofieren zu lassen (im Weigerungsfall z.T. recht unfaire Reaktionsweisen)
- Lehrer müssen auch Aufgaben des Hausmeisters, der Verwaltung, der Putzfrauen, der Bibliothekare und und und... "nebenbei" miterledigen.
- Man hört: Disziplin- und Konzentrationsprobleme der unteren Klassenstufen
- Manche Schüler sind ausgesprochen bäurisch: können sich nicht entschuldigen, grüßen nach "Streit" nicht mehr...
- Manchmal fehlendes Engagement bzw. zu wenig Risikobereitschaft beim Ausprobieren neuer Situationen*
- Mangel der Schüler an Staunen und Begeisterung
- Mangelnde Möglichkeiten des Ausschlusses vom Unterricht im S I- Bereich*
- Zunehmender bürokratischer Aufwand
- Zunehmendes "Einzelkämpfertum" bei den Schülern
- ...
(Beispiele aus einer Selbstuntersuchung; die mit einem Asterix [*] gekennzeichneten Antworten gehörten zu den im folgenden Schritt zusammengetragenen "wichtigsten" Aspekten)
Antwortbogen
Als besonders problematisch erscheinen mir:
Wichtigster Aspekt Nr. ____
Zweitwichtigster Aspekt Nr. ____
Drittwichtigster Aspekt Nr. ____
Nähere Beschreibung zu Aspekt Nr.: ___
- Bitte beschreiben Sie prägnant, wie Sie den IST- Zustand sehen (Beispiele, Symptome, vermutliche Ursachen)
- Bitte geben Sie an, wie es nach Ihrer Vorstellung sein sollte; SOLL- Zustand
- Bitte stellen Sie kurz dar, wie nach Ihrer Meinung die von Ihnen angestrebten Veränderungen durchgeführt werden sollten; WEGE der Erneuerung
Schritt 4
Auch diese Gewichtungen und Bearbeitungen werden vom Vorbereitungsteam zusammengetragen und zu einer neuen, gewichteten Problemliste zusammengestellt.
Schritt 5
Diese gewichtete Problemliste ist Gegenstand einer gemeinsamen Auswertungskonferenz, auf der die Ergebnisse vorgestellt und gemeinsam mit dem Kollegium (z.B. erst in Zufallgruppen, dann plenar) interpretiert werden.
Beispiel für die Formulierungen zu Schritt 5:
Die Zufallsgruppen erhalten die Ergebnisse und folgenden Arbeitsauftrag:
Diskutieren Sie die Ihnen vorliegenden Ergebnisse unter den folgenden beiden Fragestellungen:
- "Was bedeutet es für unsere Schule, dass wir als Kollegium diese Gewichtung der Probleme und Schwierigkeiten vorgenommen haben?
- "Auf welches Thema können wir uns in diesem Kreis einigen, was unserer Meinung nach unbedingt im Folgenden bearbeitet werden sollte."
Ulrich Barkholz / Georg Israel / Peter Paulus / Norbert Posse: Gesundheitsförderung in der Schule. Ein Handbuch für Lehrerinnen und Lehrer. Landesinstitut für Schule und Weiterbildung, Soest 1997, S. 331 ff.